Peter Alexander
Erstmals veröffentlicht 1973
Worüber wir mal reden sollten:

Vom Glück in der Ehe


Wenn ich lese, wie manche Leute mit der Ehe umgehen, dann läuft mir ein leiser Schauer über den Rücken. Es ist, als ob unsere aus den Fugen geratene Zeit auch das Privatleben vieler Mitmenschen gänzlich aus dem Gleichgewicht gebracht hat.

Gewiss, eine Ehe ist jedermanns ureigenste Angelegenheit, aber es ist doch nicht in Ordnung, wenn Simone und Curd Jürgens, wenn Romy Schneider und Harry Meyen, wenn Liz Taylor und Richard Burton in aller Öffentlichkeit das bieten, was man nur noch die Karikatur einer Ehe nennen kann.

Bitte, ich weiß natürlich auch, dass die Zeiten sich geändert haben. Dass des Pfarrers Wort während der Trauung „Bis daß der Tod euch scheidet“ längst zu einer leeren Floskel zu werden droht. Dass das Weib dem Mann heutzutage sicher nicht mehr „untertan“ ist – und auch um Himmels willen nicht sein soll.

Das alles weiß ich. Aber ich mag mich einfach nicht daran gewöhnen, dass es heute als chic und fortschrittlich gilt, den Wert der Ehe in Frage zu stelle. Wenn Sie mich fragen: Mancher, der dies tut, schwätzt gewiss nur daher, um sich interessant zu machen und denkt im Grunde seines Herzens ganz anders. Dennoch, wir kommen an der Tatsache nicht vorbei, dass die Bedeutung und das Wesen der Ehe sich mehr und mehr wandeln.

Die Zeiten, in denen ein Brautpaar ziemlich sicher sein konnte, bis an das Ende seiner Tage gemeinsam durchs Leben zu gehen, sind ein für alle Mal dahin. Ich mag darüber noch nicht einmal betrübt sein. Man soll doch nicht vergessen, wie viele unglückliche Ehen früher Jahr um Jahr über die Runden geschleppt worden sind, ohne Hoffnung, ohne Ausweg. Denn eine Trennung, die Scheidung, das war besonders für die Frau ein Makel, an dem sie schwer zu tragen hatte.

Dennoch finde ich auch heute noch, dass eine Scheidung keine Kleinigkeit ist. Ich habe noch niemand gesehen, der das Ende einer Ehe ohne Narben überstanden hätte. Vom Unglück der Kinder aus solchen Ehen gar nicht zu reden! In meinem Kollegenkreis gibt es da ja Beispiele genug.

Mancher, dessen Ehe zerbrach, hat mir nahegestanden. Und bei einigen – nennen Sie mich ruhig sentimental – habe ich regelrecht mitgelitten, weil ich das Unglück kommen sah und nicht helfen konnte. Man wird mir vielleicht entgegenhalten: Lieber Freund, Sie haben gut reden! Sie haben es leicht, von Dingen zu sprechen, die bei ungezählten anderen Probleme aufwerfen.

Das stimmt, meine Ehe ist glücklich, und dafür bin ich dem Schicksal vom Herzen dankbar. Allerdings: Ich weiß auch, dass meine Frau Hilde und ich unser Glück ganz sicher nicht allein dem Schicksal verdanken. Wir beide haben, in guten und bösen Tagen, auch eine ganze Menge dafür getan, daß diese Ehe glücklich blieb. Da muß jeder schon einmal dem anderen Konzessionen machen, sonst geht es nicht.

Gewiss, dass wir beide das dem gleichen Beruf kommen – Sie wissen sicher, dass meine Frau Schauspielerin war und auf meine Bitte hin nach unserer Heirat auf ihre Karriere verzichtete -, diese gemeinsame Interessenbasis hat uns sicher vieles erleichtert. Wir haben das Glück, auch heute noch zusammenzuarbeiten. Meine Frau als mein Manager, mein schärfster Kritiker, mein bester Ratgeber.

Gemeinsame Arbeit im Beruf aber ist ja noch lange keine Garantie für eine dauerhafte und glückliche Ehe. Da gibt es Wichtigeres. Den Partner respektieren, ihm seine Persönlichkeit lassen, ihm nicht den eigenen Willen aufzwingen wollen, Achtung voreinander haben, das hat Bedeutung. Ja, und ohne Liebe, ohne ehrliche, aufrichtige Liebe genügt auch das noch nicht einmal.

In einer guten Ehe, meine ich, geschieht dies alles ganz selbstverständlich und ohne dass der eine sagt: „Sieh her, was ich wieder für dich tue!“ Erst die Selbstverständlichkeit der Harmonie schafft das Gefühl der Geborgenheit, in der man ohne Furcht dem Alter entgegensehen kann.

Wenn nach Monaten nervenzermürbender Arbeit in Studios und Ateliers endlich zum letzten Mal die Scheinwerfer verlöschen, wenn meine Frau und ich gleichermaßen ausgepumpt und urlaubsreif sind, dann sagt Hilde: „Fahr angeln, Daddy!“ Sie sagt das, weil sie genau weiß, dass ich mich am Fischwasser am schnellsten erhole, dass ich dort am ehesten wieder zu mir selber finde.

Und sie sagt das, obwohl sie es nach der langen Zeit, in der ihr Mann vom Regisseur und vom Maskenbildner, vom Tonmeister und vom Drehbuchautor mit Beschlag gelegt war, sicher schöner finden würde, wenn sie ihren Mann ein paar Tage ganz für sich hätte. Ich glaube, sie sagt es, weil sie mich liebt.

Natürlich überlege ich mir dann auch, womit ich ihr eine Freude machen kann. Aber ich denk dabei nicht, dass ich jetzt bewusst Gutes mit Gutem vergelten müsste. Wenn eine Ehe erst zu solch einem „Handel“ zu werden droht, ist das Beste, das Selbstverständliche, das fast schon unbewusst gewordene Füreinander-da-sein-Wollen schon verloren.

Ob man das lernen kann? Ich weiß es nicht Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht ist es ein Geschenk.

Was man aber ganz gewiss kann, ist dies: Versuchen, weniger Fehler zu machen. Versuchen, den anderen zu verstehen. Versuchen, dem anderen bei aller Gemeinsamkeit die Freiheit seiner Persönlichkeit zu belassen.

Ein Patentrezept? Bestimmt nicht! Aber wohl doch eine Möglichkeit, eine Ehe glücklicher zu machen.

Peter Alexander