Wenn ich lese, wie manche Leute mit der Ehe umgehen, dann läuft mir ein
leiser Schauer über den Rücken. Es ist, als ob unsere aus den Fugen
geratene Zeit auch das Privatleben vieler Mitmenschen gänzlich aus dem
Gleichgewicht gebracht hat.
Gewiss, eine Ehe ist jedermanns ureigenste Angelegenheit, aber es ist
doch nicht in Ordnung, wenn Simone und Curd Jürgens, wenn Romy Schneider
und Harry Meyen, wenn Liz Taylor und Richard Burton in aller
Öffentlichkeit das bieten, was man nur noch die Karikatur einer Ehe
nennen kann.
Bitte, ich weiß natürlich auch, dass die Zeiten sich geändert haben.
Dass des Pfarrers Wort während der Trauung „Bis daß der Tod euch
scheidet“ längst zu einer leeren Floskel zu werden droht. Dass das Weib
dem Mann heutzutage sicher nicht mehr „untertan“ ist – und auch um
Himmels willen nicht sein soll.
Das alles weiß ich. Aber ich mag mich einfach nicht daran gewöhnen, dass
es heute als chic und fortschrittlich gilt, den Wert der Ehe in Frage zu
stelle. Wenn Sie mich fragen: Mancher, der dies tut, schwätzt gewiss nur
daher, um sich interessant zu machen und denkt im Grunde seines Herzens
ganz anders. Dennoch, wir kommen an der Tatsache nicht vorbei, dass die
Bedeutung und das Wesen der Ehe sich mehr und mehr wandeln.
Die Zeiten, in denen ein Brautpaar ziemlich sicher sein konnte, bis an
das Ende seiner Tage gemeinsam durchs Leben zu gehen, sind ein für alle
Mal dahin. Ich mag darüber noch nicht einmal betrübt sein. Man soll doch
nicht vergessen, wie viele unglückliche Ehen früher Jahr um Jahr über
die Runden geschleppt worden sind, ohne Hoffnung, ohne Ausweg. Denn eine
Trennung, die Scheidung, das war besonders für die Frau ein Makel, an
dem sie schwer zu tragen hatte.
Dennoch finde ich auch heute noch, dass eine Scheidung keine Kleinigkeit
ist. Ich habe noch niemand gesehen, der das Ende einer Ehe ohne Narben
überstanden hätte. Vom Unglück der Kinder aus solchen Ehen gar nicht zu
reden! In meinem Kollegenkreis gibt es da ja Beispiele genug.
Mancher, dessen Ehe zerbrach, hat mir nahegestanden. Und bei einigen –
nennen Sie mich ruhig sentimental – habe ich regelrecht mitgelitten,
weil ich das Unglück kommen sah und nicht helfen konnte. Man wird mir
vielleicht entgegenhalten: Lieber Freund, Sie haben gut reden! Sie haben
es leicht, von Dingen zu sprechen, die bei ungezählten anderen Probleme
aufwerfen.
Das stimmt, meine Ehe ist glücklich, und dafür bin ich dem Schicksal vom
Herzen dankbar. Allerdings: Ich weiß auch, dass meine Frau Hilde und ich
unser Glück ganz sicher nicht allein dem Schicksal verdanken. Wir beide
haben, in guten und bösen Tagen, auch eine ganze Menge dafür getan, daß
diese Ehe glücklich blieb. Da muß jeder schon einmal dem anderen
Konzessionen machen, sonst geht es nicht.
Gewiss, dass wir beide das dem gleichen Beruf kommen – Sie wissen
sicher, dass meine Frau Schauspielerin war und auf meine Bitte hin nach
unserer Heirat auf ihre Karriere verzichtete -, diese gemeinsame
Interessenbasis hat uns sicher vieles erleichtert. Wir haben das Glück,
auch heute noch zusammenzuarbeiten. Meine Frau als mein Manager, mein
schärfster Kritiker, mein bester Ratgeber.
Gemeinsame Arbeit im Beruf aber ist ja noch lange keine Garantie für
eine dauerhafte und glückliche Ehe. Da gibt es Wichtigeres. Den Partner
respektieren, ihm seine Persönlichkeit lassen, ihm nicht den eigenen
Willen aufzwingen wollen, Achtung voreinander haben, das hat Bedeutung.
Ja, und ohne Liebe, ohne ehrliche, aufrichtige Liebe genügt auch das
noch nicht einmal.
In einer guten Ehe, meine ich, geschieht dies alles ganz
selbstverständlich und ohne dass der eine sagt: „Sieh her, was ich
wieder für dich tue!“ Erst die Selbstverständlichkeit der Harmonie
schafft das Gefühl der Geborgenheit, in der man ohne Furcht dem Alter
entgegensehen kann.
Wenn nach Monaten nervenzermürbender Arbeit in Studios und Ateliers
endlich zum letzten Mal die Scheinwerfer verlöschen, wenn meine Frau und
ich gleichermaßen ausgepumpt und urlaubsreif sind, dann sagt Hilde:
„Fahr angeln, Daddy!“ Sie sagt das, weil sie genau weiß, dass ich mich
am Fischwasser am schnellsten erhole, dass ich dort am ehesten wieder zu
mir selber finde.
Und sie sagt das, obwohl sie es nach der langen Zeit, in der ihr Mann
vom Regisseur und vom Maskenbildner, vom Tonmeister und vom
Drehbuchautor mit Beschlag gelegt war, sicher schöner finden würde, wenn
sie ihren Mann ein paar Tage ganz für sich hätte. Ich glaube, sie sagt
es, weil sie mich liebt.
Natürlich überlege ich mir dann auch, womit ich ihr eine Freude machen
kann. Aber ich denk dabei nicht, dass ich jetzt bewusst Gutes mit Gutem
vergelten müsste. Wenn eine Ehe erst zu solch einem „Handel“ zu werden
droht, ist das Beste, das Selbstverständliche, das fast schon unbewusst
gewordene Füreinander-da-sein-Wollen schon verloren.
Ob man das lernen kann? Ich weiß es nicht Ich weiß es wirklich nicht.
Vielleicht ist es ein Geschenk.
Was man aber ganz gewiss kann, ist dies: Versuchen, weniger Fehler zu
machen. Versuchen, den anderen zu verstehen. Versuchen, dem anderen bei
aller Gemeinsamkeit die Freiheit seiner Persönlichkeit zu belassen.
Ein Patentrezept? Bestimmt nicht! Aber wohl doch eine Möglichkeit, eine
Ehe glücklicher zu machen.
Peter Alexander
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